Artikel: Ein Dach für Fünf – bis zum nächsten Streich

Über die AllerWohnen wurde ein Artikel in der „Contraste – Zeit für Selbstorganisation“ (www.contraste.org) veröffentlicht. Lest ihn hier in voller Länge:


Die Wohnmodelle unter dem Dach der Genossenschaft AllerWohnen eG mit Sitz in Verden an der Aller reichen von selbstverwalteten Wohnprojekten über eine Gemeinschaftssiedlung auf Erbpachtbasis bis hin zum barrierearmen Reihenhaus. Letzteres ist für wenig verdienende Alleinstehende mit der Genossenschaft als formale Vermieterin. Mit den meisten Projekten besteht ein Einheitsmietvertrag zwischen Genossenschaft und Hausverein. Darin sind neben der Gesamtmiete und Gesamteinlagenpflicht, Instandhaltungsaufgaben, aber auch Vorkaufsrecht im Falle der Veräußerung geregelt. Nur selten gibt es Einzelmietverträge – meistens, wenn sie für Behörden oder Arbeitgeber benötigt werden.

Markus Feder, Stedorf

Die Hofgemeinschaft Stedorf gehört zur AllerWohnen eG, einer wachsenden Wohnungsgenossenschaft mit derzeit fünf Projekten im Landkreis Verden südlich von Bremen. Ihr Hauptziel ist es, Wohnraum dauerhaft in die Hände der Nutzer*innen zu geben. Seit 1997 ermöglicht sie es Hausgemeinschaften, selbstbestimmt, ökologisch und gleichzeitig bezahlbar zu wohnen.

In der AllerWohnen eG wird zwischen wohnversorgten und nicht wohnversorgten Mitgliedern unterschieden. Zu Ersteren zählen alle Bewohner*innen in den Projekten. Sie müssen eine zinsfreie Pflichteinlage zeichnen, die sich an dem von ihnen bewohnten Wohnraum orientiert. Darüber hinaus können sie weiteres Geld anlegen und dafür eine Gewinnausschüttung erhalten – derzeit 2%. Die Höhe der Ausschüttung kann die Mitgliederversammlung jährlich ändern. Auch für Nichtwohnversorgte ist es möglich, Anteile zeichnen. Sie haben als Geno-Mitglieder bei der Mitgliederversammlung jedoch nur eine Stimme, Wohnversorgte dagegen drei. Damit soll sichergestellt werden, dass die Mitglieder, die von Entscheidungen zu Wohnraum, Nebenkosten oder Mieten unmittelbar betroffen sind, nicht so einfach überstimmt werden können.

Sozial – Ökologisch – Selbstbestimmt

Die Wohnprojekte von AllerWohnen sollen ebenso wie die ganze Genossenschaft soweit wie möglich sozial, ökologisch und selbstbestimmt sein. Auf sozialer Ebene können die Projektgruppen über die Verteilung ihrer Mieten und Pflichteinlagen selbst bestimmen. Die Höhe der Mieten soll möglichst gering sein. Außer der gemeinsam jährlich festzusetzenden Gewinnausschüttung an nicht wohnversorgte Genoss*innen werden keine Gewinne angestrebt. Über die Miete sind aber projektbezogen bei Laufzeiten von etwa 30 Jahre die Bankzinsen und -darlehen für Kauf und Sanierung der Immobilien zu tragen sowie die Instandhaltungskosten.

Eine zweite Säule ist das ökologische Bauen und Wohnen. Das bezieht sich nicht nur auf die verwendeten Materialien beim Ausbau – recycelt, regional, möglichst natürlich. Geachtet wird auf sorgfältige Dämmung und Lüftungssysteme oder auf die gewählten Heizverfahren bzw. Stromlieferanten. Gemeint ist auch, dass nicht zu wenige Menschen in zu großen Räumen wohnen sollen. Die Sanierung bestehender Bausubstanz hat Vorrang vor Neubauten.

Selbstverwaltung mit Risiken

Die dritte Säule ist die Selbstverwaltung. Die Bewohner*innen treffen selbst die Entscheidungen, die ihr Haus betreffen. Sie klären Fragen des alltäglichen Zusammenlebens wie Reparaturen, unterschiedliche Bedürfnisse oder gemeinsame Feste. Sie planen künftige Ausbauten und Reparaturen, berechnen Nebenkosten selbst, tragen Mietausfälle gemeinsam und bestimmen, mit welchen Menschen sie zusammen wohnen wollen. Möglichst jedes Projekt entsendet ein oder zwei Personen in Vorstand und Aufsichtsrat. Beide Gremien tagen regelmäßig gemeinsam in der „Orgagruppe“.

Anfangs kam es auch zu Fehlentscheidungen, wie den Einbau von drei Fahrstühlen in einem barrierearmen Reihenhaus-Neubau. Hier hatte sich die ursprüngliche Projektgruppe mit ihren baulichen Vorstellungen gegenüber der Bauplanung der AllerWohnen durchgesetzt. Diese sah zunächst nur einen Fahrstuhl mit einem langen Außengang im oberen Stockwerk vor. Noch vor Fertigstellung zerstritt sich die Projektgruppe so, dass es nicht zum Einzug kam. Die immensen Prüfungs- und Wartungskosten für drei Aufzüge blieben der Genossenschaft erhalten. Sie stellen die Mieter*innen des Wohnhauses noch heute vor finanzielle Herausforderungen.

Mehr Sicherheit durch „Haus-TÜVs“

Einmal im Jahr finden genossenschaftsinterne „Haus-TÜVs“ statt: Bei mehrstündigen Terminen werden alle Wohnhäuser und -räume in allen Projekten von Freiwilligen aus den Hausgemeinschaften und einer externen Bauexpertin (Architekt*in, Bauingenieur*in, etc.) auf bauliche Schäden und Risiken untersucht. Die Hausgemeinschaft muss die gefundenen Mängel jeweils nach Dringlichkeit binnen eines Jahres beheben. Tut sie das nicht oder nicht ausreichend, muss sie für die Kosten aufkommen, wenn von der Genossenschaft externe Firmen dafür beauftragt werden.

Das Büro wird derzeit vorwiegend ehrenamtlich geführt. Eine Verwaltungskraft auf Minijob-Basis stellt eine wichtige Unterstützung dar. Die Buchhaltung wurde an ein Steuerbüro abgegeben. Ein Vorstandsmitglied mit erhöhtem Aufwand arbeitet zudem auf Honorarbasis. Auf diese Weise gelingt es bisher, die Baubegleitungen und Verwaltungsbedarfe der Projekte zu bewerkstelligen. Jedes Wohnprojekt beteiligt sich zunehmend an den aufkommenden Verwaltungskosten, um die Geschäftsführung schrittweise zu stabilisieren.

Neues Projekt am Start

Ist eine Gruppe am gemeinsamen Bauen mit der AllerWohnen interessiert, so wendet sie sich möglichst mit einem in Aussicht stehenden Grundstück bzw. Wohnhaus an diese. Das persönliche Kennenlernen spielt eine große Rolle, da Vertrauen in die beteiligten Menschen und gemeinsam getragenen Strukturen die „Hauptwährung“ darstellt. Ist dies erfüllt, muss die Gruppe im Austausch mit dem Büro der Orgagruppe einen Finanzplan vorlegen. Ein*e externe Projektbegleiter*in ist hier für beide Seiten von enormer Hilfe, aber keine notwendige Voraussetzung, wenn die Gruppe selbst Know-how und Kapazitäten mitbringt.

Die einzelnen Gruppenmitglieder werden dann Genoss*innen per Beitritt und Zeichnung einer nicht verzinsten Einlage. Mit diesen Einlagen und gegebenenfalls weiteren Bankkrediten wird das Grundstück von der AllerWohnen gekauft. Bis zu diesem Zeitpunkt haftet die Gruppe allein für alle Kosten. Auch für die Anfangszeit innerhalb der Genossenschaft wird versucht, klare Haftungsmechanismen für die Bauabschnitte zu stricken. So wurde bei dem neuesten Wohnprojekt die Umwandlung von Mitgliederdarlehen in Genossenschaftsanteile nach erfolgreichem Grundstückskauf vertraglich geregelt, um beiden Seiten Unannehmlichkeiten zu ersparen, wenn das Projekt vor Baubeginn gescheitert wäre.

Lür Wettenfeld, der die Genossenschaft schon seit ihrer Gründung begleitet, betont: „Die AllerWohnen hat diese Bodenständigkeit, zu sagen: Wir fördern Projekte, wenn sie auf der Matte stehen und was wollen. Das ist wichtig: Hilfe zur Selbsthilfe. Teilhaber sein und mitentscheiden, aber auch mitverantwortlich sein. Es ist wichtig, dass die Leute selber eine Leidenschaft für etwas haben! Du kannst es ihnen nicht aufsetzen, das gilt für selbstverwaltetes Wohnen ganz besonders.“